Mittwoch war nichts weiter los, außer das ich eine Geburtstagskarte schrieb, wobei das Drucken jetzt immer etwas länger dauert, wenn ich diesen langen Abschnitt über meine Große Reise mitschicke. Donnerstag, den 16.5.96, tat ich mir mal wieder etwas gutes an, ich ging zu einem Theater. In einem kleinen Theater - einer früheren Werkhalle - in einem "gefährlichen" (Verlie) Suburb - einem ärmeren, wo die Häuser kleiner sind und dicht beisammen stehen - sah ich »Black Mary«. Es spielte in den frühen Tagen der Siedler in Australien, als es hier in New South Wales noch zuging wie im wilden Westen. Zu dieser Zeit lebte ein Bandit, dessen Geschichte bis heute überliefert wird und von Geheimnissen umgeben ist. Aus den erhaltenen offiziellen Dokumenten geht hervor, das er recht jung war und zusammen mit einer aboriginal Frau Mary Ann) lebte, wohl aber auch noch mit einer anderen Frau einer Weißen zusammen lebte. Genaueres ist nicht bekannt. Und dieses Stück war nun über Black Mary im besonderen. Es war von den 6 Schauspielern phantastisch gespielt und brachte mir das Leben und Fühlen von Leuten, die außerhalb der normalen weißen Gesellschaft und zwischen weißer und schwarzer Gesellschaft lebten, zu der Zeit sehr gut nahe.

Vom Freitag muß die Lesung in der Schule besondere Erwähnung finden. Sie war über Indien, gehalten von einem unserer Lehrer, der dort zweimal für einige Monate war. Oh ja, Indien ist ein Land, daß ich auch noch sehen will. Auch wenn das einer meiner vielen Träume ist . . . vielleicht eines Tages. Ansonsten schrieb ich nur noch etwas und sah "Sliders", eine der beiden Serien, die ich wöchentlich sehe. Und ich rief Nicole an. Sie fühlt sich immer noch nicht gesund und will mich dieses Wochenende nicht treffen, aber sie versprach mich nächste Woche anzurufen. So habe ich Samstag eine get - well - Karte gekauft und an sie geschickt. Und damit sind wir auch schon beim Wochenende (18. / 19.5.96) angekommen. Am Samstag Morgen kam außerdem Hiroshi aus Japan hier an. Er ist der 4. Student im Haus und so sind wir wieder Komplet. Er macht einen ganz netten Eindruck und ich unterhielt mich - so weit das mit seinem beschränkten Englisch möglich war - den Vormittag mit ihm. Gegen Mittag bin ich dann in die City gefahren und habe Hiroshi noch bis Circular Quay mitgenommen, auch wenn es regnete und zwischen durch auch mal goß. Ich ging, nachdem ich Hiroshi gezeigt hatte, wie er die richtige Bahn zurück findet, zu Halftix und bekam eine Karte für den Abend zu »Valley Song«. Außerdem kaufte ich noch die schon erwähnte Karte für Nicole und ein wenig elektrischen Kleinkram um mein Kleines Solar Radio zu reparieren, weil ich leider auf die Solarzelle getreten war und nun eine Batterie anschließen mußte, was ich sogar schaffte (nur mit Klebestreifen!). Am Abend ging ich also nach einem frühen Dinner zum Opera House. Im kleinen Playhouse, also der Kammerbühne des Opera Houses, sah ich dann ein großartiges Stück aus Süd Afrika. Es kam direkt von New York wo es ausverkauft war. Es ist ein 2 Personenstück und spielt in einem keinen, vergessenen Dorf irgendwo im Süd Afrika nach dem Ende der Apartheid. Es geht um den Konflikt zwischen einem Großvater und seiner Enkelin. Der Großvater hat, wie schon sein Vater, sein ganzes Leben in dem Dorf gelebt für das Stück Acker, mit dem er seine Familie ernährte. Erlebte allein mit seiner Enkelin, da seine Tochter in die Stadt gegangen war und dort gestorben war und nur die Enkelin hinterlassen hatte, und seine Frau den Gram nicht überlebte. Und jetzt ist die Enkelin groß und träumt davon eine Sängerin zu werden. Sie will nicht das Leben ihrer Großeltern fortsetzen. Dieser Konflikt, von den 2 Schauspieler beeindruckend gespielt, fesselte mich, denn es ist ein Thema, welches ja nicht nur in Süd Afrika mehr als aktuell ist. Nach diesem Stück, von dem ich wirklich begeistert war genoß ich noch einmal Sydney bei Nacht, die Harbor Bridge, die Skyline von Sydney, das Opera House. Es war ein wenig wie Abschiednehmen und es schmerzte. Obwohl ich nun schon seit Monaten hier bin und rein rational natürlich weiß, das ich hier bin, ich fühle mich immer wieder überrascht, wenn ich der Harbor Bridge gegenüber stehen und mir vorstelle, das sie in Sydney am Anderen Ende der Welt - von Europa aus gesehen - ist. Ich kann es einfach nicht glauben. Es ist ein ganz unbestimmtes Gefühl von da sein und doch nicht da sein. Ich fühlte mich auf einmal soo einsam und wußte nur ich bin noch auf dem Weg, noch soo weit von Ziel.

Und nun ist Sonntag und ich schreibe dieses zwischen Frühstück und Gottesdienst. Um 11 Uhr will ich beim Gottesdienst des deutschen lutherisch - evangelischen Gemeinde sein - mit Abendmal. Und heute nachmittag muß ich mich dem Studium widmen. Es sind nur noch wenige Wochen bis zum Examen und besonders mein Schreiben ist noch nicht auf dem Niveau, auf dem es sein sollte.

Heute ist nun schon Dienstag, der 28.5.96, und hinter mir liegt eine nicht außergewöhnliche Woche und ein schönes Wochenende. In der Schule hatten wir letzte Woche (20. - 24.5.) ein Mock Examen, also ein Testexamen genau wie das wirkliche, was in jetzt nur noch 2 Wochen statt finden wird. Montag bekamen wir die Ergebnisse und ich war wirklich nicht zu schlecht. Mit 81,5 % insgesamt. Aber die beste Neuigkeit war, das wir nicht mehr, wie noch vor einem halben Jahr, jeden der 5 Teile einzeln bestehen müssen sondern nur noch insgesamt. Das war für mich, der ich immer noch mir dem Schreiben kämpfe (die Punkte reichen immer gerade so um zu bestehen) eine richtige Erlösung. Nun muß ich nur noch auf einen guten Tag und etwas Glück hoffen und dann kann ich vielleicht sogar eine B Note erreichen (nicht nur bestanden mit C).

Mittwoch habe ich dann mal einen Nachmittag bei Community Aid Abroad reingeschaut. Die habe bei uns mal eine Lesung gehalten und sind eine der vielen kleinen Hilfsorganisationen. Wir waren dort zu dritt und hatten recht viel Spaß, auch wenn wir nur ein paar 80 Briefe fertig machten. Außerdem habe ich an diesem Abend schon mal angefangen ein wenig zu sortieren, was ich mit nach Deutschland nehmen möchte und was hier bleibt. Dabei habe ich festgestellt, das ich allein 15 kg Schulbücher, Fotos und sonstigen Krempel habe, also nicht viel Platz für anderes übrig ist. Nächste Woche werde ich dann wohl schon mal probeweise meinen Koffer packen und dann entscheiden, ob ich auch noch ein Seepaket schicken muß. Donnerstag war dann eine ganz große Nacht. Wie jeder vielleicht erinnert haben wir einige musikalische Lehrer an unserer Schule, deren Bands regelmäßig spielen. Diesen Abend nun spielten alle Lehrer und einige Studenten in einer EF Band. Aus diesem Anlaß kam fast die ganze Schule zu "Top Gun" dem Pub wo dieses Ereignis statt fand. Wir trafen uns um 8.30 pm am Circular Quay und fuhren alle zusammen (so um die 50 Leute) nach Newtown. In diesem Pub hatten wir eine großartige Nacht und die Band spielte bis 1 Uhr morgens. Danach gab es noch Diskomusik und gegen 3 Uhr machte ich mich auf den Heimweg. Ich hatte mich zwar den ganzen Abend nur Wasser getrunken fühlte mich aber trotzdem großartig. Dann hatte ich noch großes Glück, das der Nachtbus für mich anhielt, obwohl ich noch 500m von der Station entfernt war. Und nach ein paar Stunden Schlaf ging ich am nächsten Morgen so gar zur Schule. Von normalerweise um die 100 Studenten (wir sind immer noch in morgen und nachmittag unterteilt) waren nur um die 25 anwesend. So machten wir aus zwei Klassen eine um 6 Leute (+ 2 Lehrer) zusammen zu bekommen und machten nichts ernstes - hatten aber Spaß. Die Lesung war dann über Yoga (mehr praktisch als theoretisch), was sehr erholsam war. Zu zurück von der Schule mußte ich erst einmal einen Nachmittagsschlaf halten - irgendwo kein Wunder, oder? Am Abend telefonierte ich noch ein wenig, um meine letzten 2 Wochen in Australien zu organisieren. Ja, ich bin sowohl in Adelaide als auch in Melbourne willkommen und werde wohl alles in allem 4 Freunde besuchen. Eines ist eine eher komische Geschichte. Beim Aufräumen am Mittwoch fand ich eine Visitenkarte, konnte mir aber beim besten willen nicht erklären, wer das war. Also rief ich einfach mal an, und es war eine Frau mit der ich Weihnachten gemeinsam von Melbourne nach Sydney gefahren war. Nun werde ich sie hoffentlich auch in Melbourne treffen.