Aber erst einmal, was waren denn nun die tollen Ereignisse, die mich von den doch auch wichtigen Reisevorbereitungen abgehalten haben? Am Samstag, 2. März 1996, war es die Mardi Gras, am Sonntag ein EF B.B.Q und gestern eine 'Lehrstunde' mit Shri Mataji Nirmala Devi. Doch nun der Reihe nach und im Einzelnen.

Am Samstag Abend sah ich die 1996 Sydney Gay & Lesbian MARDI GRAS Parade. Das ist eines der wenigen Australieneigenen Entwicklungen und absolut mitreißend. Ich war nun eigentlich mit Nicole und einigen ihrer Freunde verabredet, schaffte es aber sie alle zu verpassen, weil ich an der verkehrten Ecke wartete. So beschloß ich also alleine der Mardi Gras beizuwohnen. Wobei allein natürlich schwer möglich war, wo sich doch so um die 600,000 Menschen an den Straßen drängten und ich hatte ungeheures Glück. Normalerweise muß man für einen Platz mit guter Sicht spätestens um 3 Uhr nachmittags da sein, aber als ich um Halb 6 auftauchte, wurde gerade eine bis dahin freigehaltene, den Festumzugsweg kreuzende Straße geschlossen - und ich saß in der allerersten Reihe! Ich schaffte es wirklich direkt am Zaun, der den Weg für die Parade offenhielt zu sitzen, d.h. um genau zu sein ich saß vor dem Zaun, wie alle die anderen die saßen (!), was sehr angenehm war, denn es war noch nicht einmal 6 - also noch 2 h Zeit bis die Parade los gehen sollte. Aber das warten war nicht zu langweilig, da immer mal wieder ein paar Umzugsteilnehmer in ihren verrückten Kostümen vorbei kamen. Und um 8 Uhr ging es dann los. Diese Parade, die 1978 als politischer Protest gegen die Diskriminierung von Homosexuellen begann, hat sich zu einer Manifestation homosexuellen Lebensgefühles entwickelt, was natürlich auch kritisch gesehen werden kann. Es ist aber Massenwirksam! 2 ½ h lang zogen sich die bunt bis verrückt geschmückten Wagen und Schwulen und Lesben Gruppen hin. Man stelle sich Rosenmontag in Köln nur mit Schwulen & Lesben vor! Echt spektakulär! Es waren 166 verschiede Gruppen mit je einem selbstgestalteten Teil dabei. Das reichte von Schwulen bzw. Lesben mit Kindern bis zum Verein der Schwulen mit vielen Haaren, von Sado - Maso Gruppen bis zu den katholischen Schwulen und von den HIV positiven Lesben bis Schwulen / Lesben / Bisexuellen Jugend & Sport Zentrum. Und die Kostüme! Von sexy bis normal, von gigantisch (5 Leute die tragen helfen mußten) bis zu fast gar nichts. Also es war fast unbeschreiblich! Exotisch!

Nach dem der letzte wagen vorbei war, folgte ich mit vielen den ganzen langen Weg diesem letzten Wagen. Massenrausch ist wohl das passende Wort um die Stimmung zu beschreiben. Ach wo ich gerade Rausch erwähnte: Das war nun wirklich nicht mehr schön, was die Australier so trinken. Ich hatte das Gefühl der Einzige zu sein, der nicht betrunken war, als die Parade zu ende war und die Nacht auf Straße - die Großparty begann. Da ich nun allein war, schlenderte ich gemächlich zurück zum Zentrum und wunderte mich, wie schnell (nun eine Halbe Stunde nach den Ende) die Aufräumtrupps die Zäune einsammelten (ein Konvoi von mindestens 15 Trucks) und noch mal eine Stunde später auch schon die Straßenreinigung begann. Das war aber auch nötig, ich habe nie zuvor soo versaute Straßen gesehen, soo viele Flaschen, Bierkästen usw. Nach diesem großartigen Abend war ich schon vor 12 zu Hause.

So war ich am nächsten Tag ausgeschlafen als ich am Sonntag um 11.30 zum EF B.B.Q kam. Wir trafen uns in Manly und wanderten mit einem Einkaufswagen zum Shelly Beach. Dort hatten wir einen schönen Nachmittag. Den ganzen Tag hatte ich auch noch vergeblich versucht Nicole zu erreichen, um zu erfahren, was Samstag los war. Aber ich sah sie erst Montag vor der Schule. Ja, und Montag Abend war ich noch bei einer Veranstaltung mit Shri Mataji Nirmala Devi. Sie erklärt sich selbst zum größten geistigen Lehrer unserer Zeit. Auf dem Weg zum Kongreszentrum traf ich ein nettes Mädchen aus Nepal, die wenigstens schon mal ein Video von Ihr gesehen hatte und auch einige Bücher über sie kannte. Ich hatte ja überhaupt keine Ahnung. Wie dazu komme wo hin zu gehen, wo ich keine Ahnung habe, was mich erwartet? In ganz Sydney (an Bussen, an Plakatwänden) war für diesen Abend geworben worden. Und nach dem Saal, der angemietet war, wurden so um die 4,000 Leute erwartet. Es kamen aber nur knapp halb so viele. Auf dem Weg zum Kongreszentrum (in Darling Harbor) bekam ich als erstes ein Flugblatt "Was sie nicht erzählen werden" in die Hand gedrückt, was mich natürlich auf die ganze Aktion noch gespannter machte.

Was also war es, was mich erwartete? Ich kam in eine sehr große, sehr moderne Halle, auf dessen Tribüne um die 10 normal aussehende Australier saßen (auf dem Boden) und Musik im indischen Stil machten. Wie wohl jeder schon am Namen erraten hat kommt diese Frau, wie so viele Gurus, aus Indien. Bevor ich aber beginne kurz zu erzählen, was nun die Kritiker sagen und was sie, will ich erzählen, wie dieser Abend ablief. Pünktlich um 7.30 pm (aus diesem Grund hatte ich nur 2 BigMacs zum Dinner), nach dem die Musikanten 2, 3 Lieder geschielt hatten, kam ein freundlicher Herr und gab eine 30 min Einleitung über die indische Idee der Energiezentren im Körper usw. Er präsentierte das recht überzeugend, wenn es sich auch für meinen Geschmack zu lange hinzog. Nach ein paar weiteren Songs kam dann so ¼ nach 8 Shri Mataji und nahm auf in einem großen Stuhl (fast wie in einem Thron) auf der Tribüne, auf der sie schon 3 Mal in Form von Bildern anwesend war, Platz und begann ihre 'Lesung'. Ihre Ideen sind einfach und verführerisch. »Die Menschheit muß zu sich selbst finden und jeder muß in sich selbst Frieden finden, den Streß zwischen Körper und Geist usw. abbauen, bevor die gesamte Menschheit die nächste Stufe der Evolution erklimmen kann, um im Frieden Leben zu können. Das ist, was alle Religionen sagen. Nur der Mensch baut Grenzen. Wir müssen Licht werden und die absolute Wahrheit erkennen. Aber dazu sind keine großen Entbehrungen mehr nötig, die hatten wir in den vorigen Leben genug. Ja, die Menschheit ist an der Schwelle zu einer neuen Entwicklungsstufe. In früheren Jahrhunderten brauchte es Jahre, Jahrzehnte für einen um zur Selbsterkenntnis zu kommen, aber heute kann es jeder in kurzer Zeit schaffen. Niemand braucht sich selbst aufgeben, wenn du dich selbst erkennst, wird es sich von selbst ergeben.« So weit die Ideen dieser nicht mehr ganz jungen Dame, die ganz beeindruckend war. Nach der Veranstaltung ging ich mit dem Mädchen aus Nepal (ich habe ihren Namen leider vergessen, wie so oft) zurück zu Town Hall. Sie studiert hier Ökonomie. Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder.

Und was sagen nun die Kritiker? Sie führen aus, das sie Führerin einer ganz normalen Sekte ist. Und es steckt schon eine ganze Masse Geld dahinter, diese große Werbeaktion (wenn auch nicht soo erfolgreich, Sydney braucht wohl nicht soo viel geistige Führung), diese große Halle usw. Und da soll natürlich auch der bekannte Sektenzwang sein, und ich kann es nicht widerlegen, weil es recht glaubhaft ist, besonders, wenn man sah wie ihre 'Jünger' sie verehrten. Und es ist interessant, das die ganze Organisation öffentlichkeitsscheu ist. Auch wird zu ihrer Vergangenheit angeführt, das sie unter einem anderen Namen für 10 Jahre einem indischen Guru folgte und dort die Idee bekam selbiges zu machen Die Wahrheit dürfte wie so oft dazwischen liegen, aber es sollen hier beide Meinungen angeführt werden Ich fühlte mich auf jeden Fall nicht 'erleuchtet' oder ähnliches. Aber wenn man schon einen festen Glauben hat, ist es für einen anderen wohl schon schwer diesen Platz einzunehmen - ich bin halt zu skeptisch. Darum fühlte ich bei der meditativen Übung auch keine ungewöhnliche warme oder kalte Briese (vom der Klimaanlage abgesehen). Aber es war doch recht interessant.

Und nun habe ich halt beschlossen heute nicht zur Schule zu gehen, weil ich diesen Vormittag brauche, um reisefertig zu werden, da ich heute nachmittag wieder mit Nicole verabredet bin und morgen um 15.15 Uhr geht es ja schon los.

Das war ein verückter Tag. Es ist jetzt 21.58 Uhr und ich habe Wut im Bauch. Jetzt will Verlie, daß ich alle meine Sachen in Kisten packe und in der Garage deponiere. (Es könnte ja Besuch kommen, oder das Zimmer für einen anderen Studenten benötigt werden.) Und das wo doch die Schule für das Zimmer die ganze Zeit zahlt. Ich bin hier halt nicht zu Hause und es ist auch kein Hotel, wo man, was man bezahlt, wenigstens nach eigenen Vorstellungen benutzen kann, es ist halt nur ein 'homestay' - eine Privatunterkunft. Außerdem habe ich heute Stunden mit warten auf Nicole zugebracht, schaffte es aber wenigstens sie heute Abend telefonisch zu erreichen. Sie hat große Probleme mit ihrem Freund aus Taiwan der nach Sydney kam und nicht verstehen kann oder will das sich da etwas geändert hat zwischen ihnen. (Ich bin übrigens nicht der Grund, auch wenn das mancher wohl vermuten würde. Ich bin nur ein guter Freund, ein großer, jüngerer Bruder) Auf jeden Fall sind wir morgen zum Lunch verabredet und ich bin recht optimistisch, daß das auch etwas wird.

Heute (6.3.96) ist nun der Morgen vor meiner Abreise. Eben bin ich damit fertig geworden alle meine Sachen in 3 Kisten und meinem Koffer zu verstauen, und nutze die restliche Zeit um fertig zu werden. (Ich habe mich nur noch zu rasieren und meine Waschtasche im Rucksack zu verstauen.) Und dann geht es los.