Die sogenannte Normalität

Den Samstag, den 6. Januar 1996, verbrachte ich damit ersteinmal aufzuräumen und durchzusehen was - da vom letzten Jahr - alles weg kann. Außerdem regnete es den ganzen Tag, so daß ich das Haus nur nur verließ um meine Mutter anzurufen und ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Am Sonntag kam dann Verlie zurück, und holte für mich aus der Postbox 11 Briefe und 2 Postkarten.

Montag (8.1.96) begann dann wieder die Schule und ich freute mich richtig darauf. Mit diesem Schulbeginn, begann auch ein neuer Stundenplan, nach dem ich Montags, Mittwochs und Freitags Morgens und Dienstags und Donnerstags Nachmittags (bis 18 Uhr) Schule habe. Das ist natürlich recht gewöhnungsbedürftig, aber immer noch besser als anders herum, was weniger glücklichen Schülern zustieß. An diesem Tag ließ ich auch noch alle meine 5 !!! Filme entwickeln (185 Bilder einige davon Panoramafotos). Dienstag mußte ich ersteinmal den Zahnarzt besuchen, da ich während der Reise meinen Aufbau meine einen Frontzahnes verloren hatte. Aber für A$ 104.50 ließ sich das in einer Stunde wieder reparieren. Da zahlt sich eine Reisekrankenversicherung hoffentlich aus. Außerdem kam noch ein zweiter Brief von Mutti an.

So richtig was los war erst Donnerstag wieder. Ersteinmal bekam ich endlich mein Weihnachtspäckchen mit meinem Zelt und einen phänomenalen 22 - Seiten - Brief von . . . Nein das geht nun doch niemanden was an!, und dann ging ich am Abend noch in die City. Da ist im Moment so richtig viel los weil Sydney gerade sich selbst feiert, und das ganze dann Sydney Festival nennt. Diesen Abend sah ich erst eine spaßige Akrobatik Vorstellung und ging dann ins Jiddish Café. Das sollte eine weltberühmte Sängerin und eine nicht minder berühmter Bariton sein, die dort jiddische Lieder sangen (kostete deshalb auch A$ 20), aber ich war nicht zu begeistern. Es fehlte die Seele. Viel zu professionell! Und wenn man versucht nur fröhliche, spaßige Lieder zu singen . . . Ich war auf jeden Fall mehr oder weniger Enttäuscht. Aber vielleicht liegt das auch einfach daran, das mein Geschmack - besonders da ich diese unendliche Traurigkeit (auch in der fröhlichen) jüdischen Musik liebe - sich stark vom durchschnittlichen australischen unterscheidet. Als ich um 12 zurück kam habe ich dann erst noch den langen Brief gelesen (bis ¾ 3).

Freitag (der 12. Januar 1996) war dann mal wieder einer dieser absolut tollen Tage, die man sich öfters wünscht. Aber der Reihe nach. Punkt 1: eine sehr interessante Lesung über NSW und Sydney; 2. bin ich in das andere Zimmer umgezogen, daß größer ist, weil ich mich in dem keinen absolut eingemöhlt hatte; 3. bekam ich Muttis Adventspäckchen und 4. bin ich am Abend noch einmal in der Stadt gewesen. Dort habe ich dann 3 der Freiveranstaltung des Sydney Festivals erlebt die alle toll waren. Erst The Hunting Party (die Jagdgesellschaft), ein absolut amüsantes Straßentheater und dann Pesce Crudo's "Négrabox" - über alle Maßen verblüffend. Es ist erst eine schwarze Box - so um die 8 m Kantenlänge, und dann startet eine Performanz von Innen. Also das muß man gesehen haben! Da fliegen dann irgendwelche Fenster auf, sieht man da mal einen Arm, dort mal ein Bein oder woanders mal einen Kopf herausschauen. Insgesamt sind in dieser Kiste 3 Männer (in schwarzen Anzügen mit Krawatte) und eine Frau (weiß geschminkt mit wildem Haar). Sie spielen zu allen 4 Seiten und dem Dach auch des Box, die neben dem Museum of Contemporary Art am Circular Quay steht, heraus, so daß alle Leute die ganze Zeit um sie herum rennen müssen. Und es werden soo viele Assozionen geweckt, daß das Stück keinen starren Inhalt braucht, um interessant zu sein. Nun macht es einem das das schwer das zu beschreiben (Ich weiß jetzt nicht, ob das nicht ein paar zu viele "das" waren.) Dann hatte ich ersteinmal einen Juniorburger bei Mc und traf noch ein Paar von der Schule und wir erzählten über die letzten Ferienerlebnisse. Zu guter letzt habe ich dann noch nach Einbruch der Dunkelheit Els Comediants "The Devils" (die Teufel) gesehen - eine Teufel / Hexenparty wilder als auf dem Hexentanzplatz bei "Faust". Und mit 10.000 anderen ließ ich mich behexen. Tonnen von Feuerwerk und berauschende Trommelmusik verwandelten den Platz und die Stufen vor dem Opera House in einen brodelnden Kessel. Ich war froh der Empfehlung gefolgt und einen Hut und eine Jacke mit zu haben, denn Teufel nehmen nicht sehr viel Rücksicht auf Zuschauer. Dieses außergewöhnliche Spektakel näher zu beschreiben fällt mir zu schwer, darum über lasse ich es jedem selbst, sich das in der Phantasie bestmöglich auszumalen. Und nicht zu schüchtern, denn es war unvorstellbar!

Am Samstag kam dann Morten, mein neuer Zimmergenosse aus Dänemark an. Er ist 21 Jahre alt und ein JanLY (January Language Year) und wird demzufolge die nächsten 9 Monate hier sein. Außerdem kam noch Verlies anderer Sohn mit Familie zum Lunch und am Abend sind wir von EF aus zur "Oper im Park" gegangen. Das wir von der Musik (Höhepunkte verschiedenster Opern) nicht viel mitbekommen würden, war zu erwarten, aber wir hatten trotzdem viel Spaß und auch recht viel Alkohol. Die Höhepunkte des Sonntages waren, daß Sang Ha aus Süd Korea ankam und Verlie am Morgen wegen einer allergischen Unverträglichkeit einer Malariaimmunisierung mit Multivitamientabletten ins Krankenhaus mußte. Sie war aber schon wieder zurück, als Sang Ha vom Flughafen gebracht wurde. Die restlichen Tage bis heute (17.1.1996) verbrachte ich damit diesen Reisebericht bis hierhin zu schreiben. Außerdem erfuhr ich, daß man in Australien nur alle 10 Wochen zum Blutspenden gehen kann, ich also noch bis Februar warten muß. In der Schule entwickelt sich Australian Studies, was ich jetzt bis Ostern habe, zu einer recht langweiligen Angelegenheit, und ich denke darüber nach zu General English zu wechseln - bin aber noch zu keinem Entschluß gekommen. Auf jeden Fall habe ich mir ein Buch für das Selbststudium geben lassen, und will wenn ich irgendwann mal die 18 Briefe / Karten die sich hier stapeln beantwortet habe, mehr Zeit damit zubringen.