Obwohl es am Abend zuvor recht spät geworden war, stand ich früh auf, um diese zweitgrößte Stadt Australiens - Melbourne hat über 3 Millionen Einwohner - zu entdecken. Mit dem recht preiswerten (Tagesticket für A$ 4.20) öffentlichen Nahverkehr, d.h. mehr oder weniger alten Straßenbahnen, kam ich rasch ins Zentrum. Allerdings war ich nach einer Stunde schon wieder zurück, um mir eine lange Jeans und meine Jacke anzuziehen, denn es war recht kühl. Melbourne ist berühmt / berüchtigt für sein sehr wechselhaftes Wetter. Während es noch am Vormittag bis zu 30°C sein kann, kommt es vor das es am Abend bis auf 13°C abkühlt. Im Moment war es, wie mir Einheimische versicherten, winterlich also um die 15°C. Nachdem ich auch noch etwas zu essen für die nächsten Tage eingekauft hatte, fuhr ich wieder in die City.

Was ist Melbourne nun für eine Stadt? Mein erster Eindruck war, alles sieht etwas heruntergekommen aus - im Gegensatz zum hochmodernen, fast eitlen Sydney. Ich glaube ich habe in den ganzen 3 Monaten in Sydney nicht so viele verarmte Alte in den Straßen gesehen wie in Melbourne an diesem ersten Tag. Nein, nicht das die ganze Stadt ein Slam wäre, nur in Sydney trifft man so gut wie nie welche. Ein anderer Punkt ist, daß Melbourne obwohl es nur ca. 50 Jahre jünger als Sydney ist, mir noch mehr als Stadt ohne Vergangenheit vorkam. Es ist für einen Europäer schon fast unvorstellbar durch eine Stadt zu gehen, in der auf den ersten Blick kein Gebäude älter zu sein scheint als ein paar Jahrzehnte. Wenn man amerikanische Städte kennt sollte man an so etwas gewöhnt sein, aber für mich war es sehr komisch. Ich suchte vergeblich ein Viertel wie "Die Rocks" oder ein Touristenzentrum wie das Opera House in Sydney. Aber dennoch ist Melbourne mit all seinen Wolkenkratzern Sydney ähnlich, nur mehr geometrisch. Alles in allem glaube ich kann man viele schöne Seiten an Melbourne entdecken wenn man sich nur genug Zeit nimmt - der Charme liegt halt versteckt. An diesem Tag besichtigte ich fast die ganze City: den berühmten Victoria Market, der mich allerdings an den Paddys Market in Sydney erinnerte - nur das er größer ist, die ganzen Einkaufsstraßen, und ich machte mit der Straßenbahn eine Tour rundherum um das Zentrum. An diesem Tag versuchte ich auch meine weitere Tour zu organisieren, da OZ Experience (OZ - Kurzform für Australien, experience - Erlebnis), die Buskompanie mit der ich weiter nach Adelaide reisen wollte, meistens nur kurzfristig bucht. Und da hatte ich den Salat: 1. fuhren die Busse nicht so, wie man mir im Reisebüro in Sydney sagte und 2. waren einige der Busse auch noch voll ausgebucht. Um das heraus zu bekommen brauchte die Dame im Reisebüro fast eine Stunde. Aber als ich es am Abend noch einmal allein versuchte, ließ sich doch noch einiges richten. So sollte ich also am 24.12. Melbourne verlassen, und in Adelaide leider nur einen Tag haben. So blieb mir also nur noch ein Tag in Melbourne. Nach dieser ersten negativ Erfahrung checkte ich auch noch gleich meine Rücktour und bekam eine 2. Überraschung: Anstatt der versprochenen 100m würde ich auf der Rücktour in 45 min das halbe Zentrum durchqueren müssen - aber das ist prinzipiell machbar. Nach dem Dinner bin ich dann noch einmal in die Stadt gefahren, um diese Stadt auch mal bei Nacht zu sehen.

Da hatte ich ein echt hübsches Erlebnis. Schon am Tag hatte ich gesehen, daß die Schaufenster des einen Kaufhauses besonders liebevoll dekoriert waren, und sich viele Menschen davor sammelten um sie zu beschauen. Aber was war das erst am Abend! Da stand eine richtige lange Schlange, und ich konnte keinen anderen Grund entdecken als den, daß all diese Menschen die Schaufenster sehen wollten. Man stelle sich also eine Menschenschlange vor, ungefähr so, als wenn es Bananen in der DDR gab, und jderer 2 kg kaufen konnte. Für alle die sich das nicht (mehr) vorstellen können: Es wird gesagt an der Konzertkasse seien noch Karten für ein Rolling Stones Konzert zu haben. Da ich mir nun doch nicht so ganz erklären konnte wozu diese ganze Veranstaltung gut sein sollte, fragte ich einfach. Und weil ich Australier fragte, bekam ich nicht nur eine kurze Antwort, sondern kam richtig in Gespräch mit dieser Familie (Mutter, 2 Töchter). So erfuhr ich, daß diese besonders liebevolle Dekoration der Schaufenster des Myer - Kaufhauses eine fast 100 jährige Tradition zu Weihnachten in Melbourne ist, und es erste richtig Weihnachten ist, wenn die Familie sich gemeinsam diese Schaufenster angesehen hat. Jedes Jahr gibt es ein anderes Thema, zu dem dann die - ich glaube 8 - Schaufenster gestaltet werden. In diesem Jahr ging es um eine Erzählung die eine australische Autorin Anfang des 19. JH geschrieben hatte. Sie war eine der ganz wenigen Frauen, die zu der Zeit Märchen schrieben und alle ihre Motive aus der typisch australischen Natur entnahm. Außerdem wird erzählt, daß als Myer einen neuen Manager bekam, dieser feststellte das für Schaufensterdekorationen A$ 1 Million allein für Weihnachten jedes Jahr veranschlagt waren. Als Ökonom wollte er dieses drastisch kürzen, konnte es aber nicht durchsetzen.

Nachdem ich mich von dieser netten Familie verabschiedet hatte, nicht ohne die Adressen ausgetauscht zu haben und, wenn ich mal wieder in Melbourne sei, ganz herzlich eingeladen zu sein, wanderte ich noch am Fluß, an dem Melbourne liegt, lang. Am nächsten Tag (der Tag vor Weihnachten) schlenderte ich Vormittags durch den Royal Botanical Garden. Zuvor war ich aber noch in der Gedenkstätte der Gefallenen des 1. Weltkrieges, welche von den Bürgern Melbournes gestiftet wurde, und recht beeindruckend ist. Außerdem kann man praktischer weise auf das Dach steigen und einen tollen Ausblick auf die Stadt genießen. Nach einem Lunch in der City besichtigte ich am Nachmittag ausführlich die National Art Gallery of Victoria. Und am Abend war ich noch mit Alex , seiner Freundin und einer anderen Japanerin aus. Erst aßen wir chinesisch - wobei wir schon unseren eignen Wein (bzw. Bier) tranken, was in Australien durchaus normal ist - und dann gingen wir in einen Pub. Alex war im Endeffekt betrunken, seine Freundin recht beschwipst und auch ich wußte das ich fast 2 Flaschen Wein getrunken hatte. Aber bis 1 Uhr morgens waren wir doch zu Hause. Es sollte eine kurze nacht werden, da ich ja am nächsten Morgen schon vom OZ Experience abgeholt werden sollte.

Also stand ich - frag mich nicht wie - um 6 Uhr morgens auf, um fertig zu sein, wenn mich der Bus um 7.30 Uhr vor der Florida Lodge - was ein Service - abholen sollte. So wartete ich von 7.15 bis 8 Uhr, als dann noch immer kein Bus kam fragte ich ob das nicht unnormal sei, aber man sagte mir ich sollte mich nicht sorgen, der Bus würde bestimmt bald kommen. Aber er kam nicht bis 8.30 Uhr. Und als ich OZ Experience anrief sagte man mir, das Bus sei doch schon längst abgefahren. Nach einem längeren Palaver an Telefon wußte ich also, daß ich die nächsten 2 Tage auch noch in Melbourne verbringen mußte, und mein erster Zwischenstop nichts werden würde. So kam es, daß ich Weihnachten in Melbourne feierte.

Da ich nun einmal wach war, ging ich zum Gottesdienst - es war ja Sonntag, 4. Advent & Heiligtag - in die deutsche lutherische Kirche. Weil ich aber bei der Predigt fast einschlief (1. war die Nacht vielleicht doch etwas kurz, 2. war es nicht übermäßig interessant), schlief ich als ich wieder zu Hause war ersteinmal ein wenig. Dann kam eine richtig nette Überraschung. Alex hatte etwas Weihnachtspapier besorgt und eine Weihnachtskerze gekauft, und wir bastelten eine Weihnachtsdekoration für unser Wohnzimmer - aus einem alten Kleiderbügel, an den wir Weihnachtsbäume und Kugeln aus buntem Papier hangen. Und dann war Bescherung. Jeder bekam ein Kinder Überraschungen und wir aßen Kuchen. Um halb acht sind wir dann zur Christvesper (lutherisch & englisch) in die City gefahren. Nach diesem sehr guten Gottesdienst mit wunderschöner Musik (Bach und Händel) riefen wir erst einmal unsere Familien in Deutschland an, wo es ja noch 10 Stunden früher - also Nachmittag war. Den Abend verbrachten wir in der City. Denn in Australien ist Weihnachten ja ein ganz anderes Fest - dadurch bedingt, daß es Sommer ist. Viele Leute sind im Zentrum und feiern ausgelassen. Von großer Besinnlichkeit wie in Deutschland, die bei so vielen zur Depression führt, ist überhaupt nichts zu spüren. Aber da wir beide Deutsche waren, feierten wir nicht ganz so ausgelassen, sondern gingen in ein Eierkuchen Restaurant und aßen - na was wohl? - Eierkuchen und erzählten den ganzen Abend, was auch sehr gut war. Den nächsten Tag vergammelte ich fast ganz. Ich schlief viel, mußte nur einmal zwischen durch etwas Eßbares einkaufen und nur am Abend hatten wir Besuch von einer anderen Japanerin (an Alex' Schule sind fast ausschließlich Asiaten) mit der wir den ganzen Abend erzählten.