Der Alltag

Ja, mittlerweile ist der Alltag auch im fernen Sydney für mich eingekehrt. Das heißt nicht, daß es langweilig wäre. Wenn der Alltag langweilig ist liegt das ja immer nur an einem selbst, aber ich weiß halt, wie die nächste Woche im Großen und ganzen aussehen wird, schon im Voraus. Und die Beschreibung meiner ganzen Aktivitäten kann demzufolge auch etwas kürzer ausfallen.

Letzten Samstag (14.10.95) habe ich gefaulenzt. Erst habe ich ausgeschlafen und ausführlich gefrühstückt und dann einen Brief geschrieben. Das Briefe schreiben hat sich zu einem wichtigen Bestandteil meines Alltags entwickelt. Ich freue mich immer wieder über Post und möchte diese natürlich auch so schnell wie möglich beantworten, obwohl das ganze Geschreibe in Deutsch natürlich etwas kontaproduktive ist, wenn man eigentlich Englisch lernen soll. Aber ich möchte mich trotzdem bei allen bedanken, die mir so lieb schreiben. In der letzten Woche kamen nun die Antworten auf die ersten Brief, die ich hier abgeschickt habe, und es ist richtig schön nach Hause zu kommen und fast jeden Tag einen Brief zu bekommen. Mal sehen, ob das auch die nächste Woche so bleibt. Aber zurück zum letzten Samstag. Am Abend bin ich dann noch ausgegangen. Nick - noch immer unser Activity Coordinator - hatte einen Kinobesuch mit Dinner organisiert. Das Dinner war recht gut und auch das Kino war interessant. Es gab keine Sitze sondern so eine Art Liegen mit vielen Kissen - echt gemütlich. Leider war der Film Scheiße. Es ging um einen Banküberfall von ein paar total überdrehten, sich nur mit Drogen vollpumpenden Spinnern, mit Unmengen von Blut, ohne Konzept - eben ein Scheißfilm. Nick kannte den Film nicht vorher, so konnten wir ihm nicht einmal die Schuld geben. Auf jeden Fall war ich schon um 12 wieder zu Hause. Den Sonntag habe ich dann ganz gesittet verbracht. Nach dem Frühstück habe ich Mutti angerufen, weil sie es Am Abend zuvor versucht hatte, wo ich natürlich aus war. Aber die Telefoniererei ist doch eine recht kostspielige Angelegenheit. Für ein kurzes Telefonat kann ich 5 Briefe schreiben. Wobei es doch faszinierend ist, daß man sich um den halben Globus mit jemanden unterhalten kann. Nur ein paar Tasten gedrückt und schon wird eine Schaltung über 2 oder mehr Satelliten hergestellt - jedes mal 36.000 km in den Weltraum und zurück. Und nach nicht einmal einer Minute klingelt es am entgegengesetzten Ende der Welt. Nach dieser Technischen Höchstleistung, bin ich dann noch mit meiner Gastmutter in den Gottesdienst gegangen - einem richtig schönen, mit Taufe. wieder bei der Heilsarmee. Aber es gibt doch einige Unterschiede zu luterisch - evangelischen Gottesdiensten. Nach dem Lunch habe ich mich dann wieder an die Post gesetzt und nach dem Dinner meine Hausaufgaben gemacht.

Der nächste Höhepunkt war Dienstag. Da bin ich das erste mal im Stillen Ozean baden gewesen. Es war ein schöner sonniger Spätnachmittag. Das Wasser ist zwar noch recht kühl, aber es macht schon Spaß. Die Wellen waren richtig schön, nur ist der Stille Ozean unheimlich salzig. Die Ostsee ist dazu im Vergleich das reinste Brackwasser. Allerdings meinte der Busfahrer auf der Rückfahrt, daß sein noch gar nichts, es sei absolut flat. Also bin ich auf die richtigen Wellen gespannt. Mittwoch war ich dann schon wieder im Kino - bei "Braveheart". Das ist ein endlos langer Film (mehr als 3h) über über einen schottischen Freiheitskämpfer (Walles). Der Film begann um 5 Uhr, und so kam ich nicht rechtzeitig zum Dinner zurück. Aber es hat sich gelohnt. Auch wenn einige Szenen recht Gewalttätig waren, war es doch ziemlich realistisch gemacht. Natürlich war der schottische Akzent nicht leicht zu verstehen, aber die Landschaftsaufnahmen und die Musik waren großartig und entschädigten für die Anstrengungen des zuhörens. Am Freitag habe wir dann ein paar Tests verglichen und ich war recht deprimiert, wie wenig ich richtig hatte. Aber nicht nur ich hatte unheimlich viele Fehler, allerdings war das nur ein schwacher Trost. Ja, es ist noch ein weiter Weg zum perfekten Englisch. Und auch die Strecke zum First Certificate of English ist noch lang, aber ich hoffe, ich werde es schaffen. Auf jeden Fall muß ich wohl etwas mehr Zeit in mein Studium stecken. Außerdem hatten wir Gestern noch eine gute - und vorallem spaßige - Lesung über Scotland. Eine unserer Lehrer kommt aus Schottland und hatte die Lesung als großen Quiz organisiert - mit Preisen (Marsriegel) für die richtige Antwort. Außerdem kam Gestern Antonio aus Spanien an, der mit in meinem Zimmer wohnt. Er bleibt hier nur für 2 Monate. Und dann bekam ich auch noch einen ganz lieben, langen Brief, mit dessen Beantwortung ich gleich begann. Am Abend nach dem Dinner ging ich mal wieder aus. Man kann ja nicht nur zu Hause sein. Diesmal mit einigen Schweizern, einer Dänin und noch ein, zwei anderen. Wir trafen uns im Orient Hotel in den Rocks, wo einige ersteinmal Dinner aßen. Ich hatte zu Hause ein reichliches Dinner, so trank ich nur, zusammen mit 2 anderen, eine Flasche sehr guten, trocknen, nicht übermäßig teuren (A$ 15) Rotwein. Danach wollten wir zum Hard Rock Café gehen. Unterwegs haben das Mädel aus Dänemark und ich allerdings die anderen verloren. Das kommt davon, wenn man einen anderen Ausgang der Bahnstation benutzt. So sind wir zum Jacsons Pub gegangen und habe auf die anderen gewartet. Eigentlich wollten wir uns später da treffen. Wir habe da dann noch andere getroffen, und ich habe ein 2. Glas Wein getrunken. Später bin ich dann noch, weil es doch etwas langweilig ist, die ganze Nacht nur herumzustehen und zu trinken, zum Kings X Hotel zur Disco gegangen. Dort habe ich mich bis nach 2 Uhr Morgens vergnügt. Der Rückweg war etwas kompliziert, da Nachts nur einige Nachtbusse fahren, und die recht weit entfernt von meinem zu Hause halten. So bin ich dann mitten in der Nacht, im Regen - es hatte irgendwann am Abend begonnen leicht zu regnen und hörte einfach nicht wieder auf - durch ganz Earlwood gelaufen. Immer wieder neue Straßen mit den ähnlich aussehenden kleinen, einstöckigen Häusern und keine Menschenseele. Gerade als ich dachte, jetzt habe ich mich hoffnungslos verirrt, traf ich dann doch noch auf eine mir bekannte Straße. So kam ich dann irgendwann Heim. Heute habe ich ersteinmal richtig ausgeschlafen und um 2 Uhr Frühstück gegessen. Es Regnet noch immer, und ich werde wohl den Tag mit schreiben zubringen. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe so viele Adressen . . .

Am Sonntag, dem 22. Oktober 1995, war ich in gleich 2 Gottesdiensten. Da ich ein wenig den lutherisch - evangelischen Gottesdienst, mit seiner fast 500 Jahr alten Liturgie, die letzten Sonntage vermißte, suchte ich mir eine lutherisch - evangelische Kirche. So hatte ich um 9 Uhr den ersten Gottesdienst. Es war eine sehr kleine Kirche, so daß ich schnell alle Leute (es waren nur 10) kennen lernte. Nach dem Gottesdienst - natürlich in Englisch - wurde ich noch zu einer Tasse Tee eingeladen. Es war sehr nett sich mit diesen Leuten zu unterhalten. Einige kamen sogar aus Deutschland (z.B. aus Hamburg), leben aber schon lange in Australien. Der Mann, der den Gottesdienst gehalten hatte, er ist kein Pastor, da die Gemeinde zu klein ist, fragte mich, ob ich nicht Lust hätte zu noch einem anderen Gottesdienst zu gehen - dieser in Deutsch. Natürlich sagte ich zu. Und so war ich um 11 Uhr in meinem 2. Gottesdienst dieses Tages. Dieser allerdings in Deutsch mit einer sehr guten Predigt und einer Taufe. Ach es war richtig schön, die alten deutschen Lieder zu singen. Nach dem Gottesdienst waren wir noch im Kirchencafé und ich wurde eingeladen doch mal beim Chor vorbei zu schauen, wenn ich Lust hätte etwas zu singen. Wenn ich die Zeit habe werde ich diese Gelegenheit nutzen. Nur leider bin ich Weihnachten nicht da, wenn der Chor singt.

Das nächste wirklich bedeutsame Ereignis fand am Mittwoch statt. Die anderen Tage lebte ich so vor mich hin und unternahm nicht sehr viel, da das Wetter nicht so besonders ist im Moment. Es ist recht wolkig, regnet ab und zu und nur manchmal scheint die Sonne. Dabei ist es auch nur um die 20 ºC warm. Aber Mittwoch buchte ich meinen Weihnachtsurlaub. Jetzt ist es fest und bezahlt. Ich fahre am Samstag den 16. Dezember hier los und komme zwischen dem 5. und 7. Januar zurück. Dazwischen werde ich für die A$ 394,- (ca. 420,- DM) ganz schön viel herumgefahren. Als erstes fahre ich durch die Berge nach Melbourne. Ich werde 6 Tage unterwegs sein, da ich zwischendurch 3 Tage nahe dem höchsten Berg Australiens stop mache. Dieser ist aber nur 2173m hoch. In Melbourne werde ich wohl 4 Tage und auch Weihnachten sein. Ich denke ich werde dort auch eine deutsche evangelisch - lutherische Kirche finden, da in Victoria die meisten Deutschen leben. Von Melbourne geht es weiter zu den 12 Aposteln. So heißt eine sehr bekannte Felsformation an der Küste Victorias. Nach einem Tag da geht es weiter zu einem National Park, zu dessen Erkundung mir 2 Tage bleiben. Alles in allem werde ich mich in 6 Tagen nach Adelaide bewegen. Pünktlich zur Silvester Party bin ich dann da. Nach fast 3 Tagen Adelaide werde ich mich aber auf den Rückweg machen müssen. Von Melbourne nach Sydney will ich dann wieder etwas langsamer reisen, und noch etwas die Küste genießen. Insgesamt habe ich A$ 20,- pro Tag zusätzlich kalkuliert, da ich bis jetzt weder Unterkunft noch Verpflegung bezahlt habe. Ich hoffe aber sehr, daß ich einige Nächte im Zelt schlafen kann und vielleicht mit etwas weniger auskomme. Ja, es ist ein tolles Gefühl, wenn man genau weiß, was man in den Ferien machen möchte und das auch schon bezahlt hat.

Dem aufmerksamen Leser ist bestimmt aufgefallen, daß ich Antonio bisher nur mit ein paar Sätzen erwähnt habe, aber das will ich jetzt nachholen. Seit nun fast einer Woche bin ich nicht mehr allein in meinem Raum. Antonio ist 26 Jahre alt, und ich denke, ich komme gut mit ihm aus. Er ist zu Hause auf Mallorca uns ist dort bei seinem Vater angestellt, der einige "Attraktionen" in einem Vergnügungspark besitzt. Er war außerdem schon für 4 Wochen in New York um Englisch zu lernen und ist schon viel gereist. Der 2. Student im Hause, der nicht studiert hat oder will, ist Mano aus Japan. Er lebt in Japan von Teilzeitjobs und genießt das Leben. Nach den 3 Monaten hier will noch etwas in Australien jobben und dann Ferien hier machen.